Kampfkunst: Der Bad Königer Mohammed Wahib ist Titelträger im Karate-Teamwettbewerb und leitet in der Stadt ein Dojo
Ein Bollerofen verbreitet wohlige Wärme in dem kleinen, gefliesten Vorraum des Karate-Dojo am Bad Königer Bahnhof. Hinter einer Glastür, im Trainingsraum, ist kein Ofen nötig: Konzentriert übt eine Gruppe Jugendlicher Katas, Schattenkämpfe. Hin und wieder gellen energiegeladene Schreie durch den weiß gestrichenen Raum, an dessen Längsseite eine Spiegelwand jeden Fehler schonungslos reflektiert und an dessen kurzer Seite eine japanische und eine deutsche Flagge prangen. Zehn Minuten Pause, dann beginnt die zweite Trainingseinheit, die eine weitere Stunde dauert. Angeleitet werden die Jugendlichen von einem echten Könner: Mohammed Wahib (27), der erst vor kurzem mit der deutschen Karate-Nationalmannschaft in Polen den Weltmeistertitel holte.
Karate ist Mohammed Wahibs Leben. Neun Jahre alt war er, als er in seiner Heimat Jordanien mit dem Training begann: „Mein Bruder war ganz begeistert von Bruce-Lee-Filmen.“ Das konnte der jüngere Mohammed erst gar nicht verstehen: „Für mich waren das nur aggressive Leute.“ Computerspiele fand er wesentlich reizvoller als Kampfkunst – bis sein Bruder ihn mit zur Übungsstunde nahm. Sofort war Mohammed Wahib begeistert, trainierte fortan drei Mal in der Woche – und gewann schon nach zwei Monaten die Vereinsmeisterschaft in seiner Altersklasse. Nach einiger Zeit wechselte er in die Leistungsgruppe, trainierte dort täglich.
Sehr zum Entsetzen seiner Mutter, wie sich Mohammed Wahib mit einem Lachen erinnert: „Sie hat immer ganz schön gezetert, wenn ich mal wieder daheim saß mit einem Eisbeutel am Kopf oder auf dem Knie.“ Nach dem Abitur studierte Wahib in Jordanien Sport – was bei seinen Eltern erst einmal ebenfalls auf Unverständnis traf: „Ich hatte einen Abiturschnitt etwa von 1,2. Ich hätte Arzt werden können, aber ich wollte unbedingt Sport studieren.“ Was auch gut war. Nicht umsonst hatte Mohammed Wahib zwischenzeitlich acht Mal in Folge die jordanischen Meisterschaften im Karate gewonnen. Wahibs Bruder ist Mitglied des jordanischen Karate-Nationalkaders, er selbst kam im Frühjahr 2003 nach Deutschland. „Ich hatte Deutschland schon bei Karate-Turnieren kennen gelernt,“ sagt Wahib. Dabei traf er auch den deutschen Bundestrainer Efthimios Karamitsos – und wollte gar zu gern bei ihm trainieren. Nach seiner Einwanderung bemühte er sich bald um die deutsche Staatsbürgerschaft. Inzwischen hat er einen deutschen Pass und ist nicht nur in der Karate-Nationalmannschaft voll integriert, sondern auch in Bad König.
Vor drei Jahren mietete Wahib eine Lagerhalle am Bahnhof, richtete sich dort mit Hilfe von Mitgliedern seiner inzwischen gegründeten Karateschule ein eigenes Dojo ein. Heute hat der Verein SV Unsu Karate Bad König etwa 120 Mitglieder – das jüngste ist ein Mädchen von drei Jahren, der Älteste hat die 60 überschritten.
Ausdauer, Konzentration, Körperbeherrschung: Das sind laut Wahib nur drei der Fertigkeiten, die regelmäßiges Karate-Training fördert. Seine Schüler unterrichtet Wahib im Shotokan-Stil, der verbreitetsten Variante der japanischen Kampfkunst.
Selbst die jüngsten Schüler sind mit viel Disziplin bei der Sache. Gescherzt wird während des Trainings nicht. „Wenn der Trainer seine Aufgabe ernst nimmt, tun es auch die Schüler“, weiß Mohammed Wahib. Was nicht heißt, dass es im Dojo immer bierernst zugeht. Georg Huka, dessen Kinder ebenfalls bei Wahib trainieren, berichtet eher vom Gegenteil: Nach dem Training oder in der Pause erfrischen Lehrer und Schüler sich gemeinsam bei einem Getränk im Vorraum, es wird oft gelacht. „Gerade die Jugendlichen kommen aber auch zu Mohammed, wenn sie Probleme haben. Sie vertrauen sich ihm an.“
Auch die elfjährige Hannah Staab aus Eisenbach, wie einige ihrer Bad Königer Karate-Kameraden selbst schon im Hessenkader der Jugendlichen dabei und vor kurzem siegreich bei einem Wettkampf in Luxemburg, stellt ihrem Lehrer ein hervorragendes Zeugnis aus: „Als er Weltmeister geworden ist, haben wir hier im Dojo einen kleinen Empfang gemacht. Das fanden wir alle toll.“ Bei einem Weltmeister zu trainieren, bedeutet ihr viel: „Ich möchte selbst mal so erfolgreich sein. Und am liebsten immer bei Mohammed trainieren.“ Schließlich geht es, sagt Hannah, im Training „immer mit Power“ zur Sache. Langweilig wird es nie.
Nach zwei Stunden hartem Training wartet auf die Schüler an diesem Tag noch eine Kraftübung: 50 Liegestützen, 50 Sit-ups. „Der Körper ist kaputt, aber der Geist ist noch da“, motiviert Wahib die Jugendlichen, von denen sich keiner unterkriegen lässt. Denn auch das gehört zur asiatischen Kampfkunst: Den inneren Schweinehund besiegen, über sich selbst hinauswachsen lernen. Dazu gehört freilich viel Geduld und ein gewisser Ehrgeiz. Nur einer von 100 Karate-Anfängern schafft es eines Tages bis zum Schwarzgurt.
Wer Karate nur lernen will, um anderen kräftig auf die Nase hauen zu können, kann bei Mohammed Wahib nicht landen: Schlägertypen gibt er erst gar keinen Unterricht – oder kündigt die Mitgliedschaft auf, sollte sich ein Karateka dadurch hervortun, dass er seine Fertigkeiten zum Schaden anderer einsetzt. Wahib hat einen Leitspruch: „Ich kann anderen weh tun, aber ich will es nicht. Ich kann jemanden schlagen, aber die Kunst liegt darin, dass ich meinen Schlag stoppen, meinen Körper kontrollieren kann.“
Vor wenigen Wochen wurde Mohammed Wahib zum ersten Mal Vater. Sohn Jonas und Ehefrau Jasmin (25) sind oft im Dojo dabei. Schließlich ist Wahibs Frau ebenso karatebegeistert wie ihr Mann, begann schon als kleines Mädchen mit dem Training. Bis sie schwanger wurde, hat sie auch die Unsu-Vereinsjugend trainiert.
„Alles, was ich erreicht habe, habe ich meiner Frau, meiner Familie und meinem Trainer Efthimios Karamitsos zu verdanken,“ sagt Mohammed Wahib. Auch Deutschland habe ihm viel gegeben. Ein wenig davon möchte er zurückgeben – etwa indem er die Bundesrepublik bei Wettkämpfen im deutschen Karatekader repräsentiert. Im kommenden Jahr wird der Verein Unsu Karate Bad König übrigens die Hessenmeisterschaften im Karate ausrichten: Zu den Wettkämpfen in der Sporthalle der TSG Bad König werden zwischen drei- und vierhundert Karateka erwartet.
Silke Schmidt (18.10.2007)
Donnerstag, 25. Oktober 2007
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